Vernehmlassung zur Totalrevision der Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS) – Stellungnahme

Sehr geehrter Herr Dr. Wehrli 
Sehr geehrte Damen und Herren 

Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Gerne machen wir davon Gebrauch und äussern uns – in Anlehnung an die Haltung kantonaler Amtsstellen in Graubünden – wie folgt: 

Mit der Abstimmung über RPG1 und dessen Inkraftsetzungen haben die Kantone ihre Richtpläne und kantonalen Gesetzgebungen angepasst vor dem Hintergrund, dass die Siedlungsentwicklung nach Innen gelenkt werden soll. 

Bei der Abstimmung über RPG1 wurden einige neue Ziele und Grundsätze in das RPG aufgenommen, namentlich führen wir hier folgendes auf: 

  • Art. 1 Absatz 1 lit. abis (Siedlungsentwicklung nach innen lenken, unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität) 
  • Art. 3 Abs. 3 lit. abis (Massnahmen getroffen werden zur besseren Nutzung der brachliegenden oder ungenügend genutzten Flächen in Bauzonen und der Möglichkeiten zur Verdichtung der Siedlungsfläche) 

 

In der Praxis, aber auch aufgrund Bundesrechtsentscheiden (z.B. BGE Rüti), ergeben sich Konflikte zwischen der Umsetzung der Siedlungsentwicklung nach innen und dem ISOS. Dies im Speziellen bei ISOS Objekten mit nationaler Bedeutung. 

So wie die Verordnung VISOS aufgebaut ist, und aufgrund der bisherigen Erfahrungen in der Praxis, erhält die Siedlungsentwicklung nach innen in einer Interessenabwägung eine tiefere Priorität als das ISOS. Gerichte werden weiterhin aufgrund von Gutachten sektoralpolitisch zugunsten des ISOS entscheiden. 

Der Bundesrat hat nun die Chance, im Rahmen des Erlasses der VISOS die Sektoralpolitiken in materieller Hinsicht aufeinander abzustimmen, wie dies in diversen Dokumenten (auch des Bundes selbst) immer wieder postuliert wird. In Anlehnung an die Methodik, die der Bundesrat bei der Energieverordnung verwendet hat, soll dem wichtigen und prioritären Ziel der Siedlungsentwicklung nach innen und der Verdichtung ebenfalls nationale Bedeutung zugesprochen werden. Damit ist noch keinesfalls ein "Freipass" gegen das ISOS gegeben. Die grösstmögliche Schonung des Objektes von nationaler Bedeutung ist nach wie vor Pflicht (Art. 10 Abs. 4 E-VISOS), die Interessenabwägung im Zusammenhang mit der Siedlungsentwicklung nach Innen ist jedoch grundsätzlich zulässig. 

Gemäss den Erläuterungen zur VISOS spricht die Lehre im Zusammenhang mit Hoheitsakten dann von einer Bundesaufgabe, wenn (1) im fraglichen Sachbereich eine umfassende Bundesregelung vorliegt und (2) die Aufgabe eine Wirkung auf die Natur, die Landschaft und das kulturelle Erbe hat (Erläuterungen Seite 10). Für die Siedlungsentwicklung nach innen werden diese Bedingungen mit der Einführung von RPG 1 erfüllt. Es gilt nun, diesen gewichtigen Interessen auch explizit nationale Bedeutung zuzumessen. 

 

Antrag: 

Ergänzen von Art. 10, Abs. 2 Eingriffe bei Erfüllung von Bundesaufgaben: 

2Schwerwiegende Beeinträchtigungen eines Objekts im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 NHG sind zulässig, wenn sie sich durch ein Interesse von nationaler Bedeutung rechtfertigen lassen, das gewichtiger ist als das Interesse am Schutz des Objekts. Die Lenkung der Siedlungsentwicklung nach innen und die innere Verdichtung gelten als Interesse von nationaler Bedeutung. 

In materieller Hinsicht wird damit in eine ähnliche Richtung gestossen wie die Parlamenta-rische Initiative von Gregor Rutz; Verdichtung ermöglichen, Widersprüche und Zielkonflik-te aufgrund des ISOS ausschliessen (Geschäft 17.525). Mit dieser Ergänzung der VISOS kann der Zielrichtung dieser Motion in weiten Teilen auch entsprochen werden. 

Gerne hoffen wir, dass unsere Haltung in der Vernehmlassung von economiesuisse posi-tive Aufnahme findet. Wir bedanken uns für Ihre Bemühungen im Voraus und verbleiben .