Aufhebung der Industriezölle (19.076) – die Position der Wirtschaft

Geschätzte Damen und Herren

An ihrer Sitzung vom 27./28. Januar 2020 werden Sie sich mit der Frage nach der Aufhebung der Importzölle auf Industrieprodukte befassen (Bundesratsgeschäft 19.076). Gerne erläutern wir Ihnen die Sichtweise der unterzeichnenden Dach- und Branchenverbände sowie Industrie- und Handelskammern zur entsprechenden Vorlage.

 

Die Wirtschaft unterstützt sowohl die Abschaffung der Industriezölle wie auch die Vereinfachung der
Zolltarifstruktur. Gerade in unsicheren Zeiten, in denen die globalen Risiken für die Schweizer Wirtschaft
steigen, die Margen sinken und der internationale Wettbewerb zunimmt, kann die Politik das
wirtschaftspolitische Umfeld für Schweizer Unternehmen mit diesen Massnahmen aktiv verbessern. 

Die Abschaffung sämtlicher Importzölle auf Industrieprodukte befreit Unternehmen von unnötigen
Mehrkosten, bringt eine administrative Entlastung und versetzt sie auch in die Lage, auf dem Schweizer
Markt konkurrenzfähiger auftreten zu können. 

Auch die Konsumenten/-innen profitieren. Insgesamt resultiert ein volkswirtschaftlicher Gewinn für die
Schweiz (jährlich 860 Mio. CHF). Die Sorge um die vermeintlich geschwächte Position der Schweiz bei
Freihandelsverhandlungen ist hingegen unbegründet. 

 

Die Schweizer Wirtschaft ist eine der global integriertesten Volkswirtschaften. Ihre Industrie ist weltweit vernetzt sowie stark exportorientiert, stellt hochspezialisierte Produkte her und ist auf günstige ausländische Vorleistungen angewiesen. Künstlich durch Importzölle verteuerte Beschaffungskosten schützen entsprechend nicht vor ausländischer Konkurrenz, sondern sie bremsen Produktivität, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen im globalen Wettbewerb. 

Schweizer Firmen bezahlen heute jährlich rund 500 Millionen Franken Zollabgaben auf Importe von Industriegütern. Dies, obwohl 75 Prozent dieser Abgaben im Prinzip bereits abgeschafft wurden – im Rahmen von bilateralen Freihandelsabkommen (FHA). Die Gründe hierfür sind vielfältig: Teils werden die Ursprungsregeln nicht erfüllt, teils ist der administrative und finanzielle Aufwand für die Anwendung von FHA (u.a. Nachweisbeschaffung bei ausländischen Lieferanten) zu hoch oder aber die Zollersparnis zu gering (Kosten/Nutzen). Des Weiteren sind marktabschottende Massnahmen ausländischer Hersteller bekannt. Die Abschaffung der Industriezölle stellt deshalb eine wertvolle Ergänzung in der Umsetzung von FHA dar. 

 

Abschaffung Industriezölle (19.076) – die Position der Wirtschaft 

Nebst wegfallenden Zollabgaben steht die administrative Entlastung von über 100 Millionen Franken im Zentrum – firmen- und verwaltungsseitig. Davon profitieren 35 Prozent aller Industriegüterimporte: weniger Zollformalitäten, Buchungen oder Bewilligungen und wegfallende aufwendige Zollspezialverfahren (z.B. Veredelungsverkehr). Auch die Beschaffung von Ursprungsnachweisen erübrigt sich in gewissen Fällen1. Zum Beispiel, wenn Ursprungsregeln selber erfüllt werden oder wenn die Waren in der Schweiz verbleibt (im Handel mit EU/EFTA-Partnern trifft dies auf etwa 42 Prozent der gesamten Warenimporte zu). Ob in der Schweiz produzierend oder nicht, ob gross oder ob klein – der Importzollabbau entlastet die Unternehmen. 

Der Industriezollabbau ist ein wirksames Mittel im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz und bringt Vorteile für die Konsumenten/-innen. Angesichts des enormen Wettbewerbsdrucks ist davon auszugehen, dass die Unternehmen entsprechende Kosteneinsparungen an die Endkunden weitergeben (z.B. Kleider, Schuhe, Autos oder Kosmetika). Dadurch sinkt das Preisniveau gemessen an den Haushaltsausgaben schweizweit um 350 Millionen Franken. Gleichzeitig führt der Industriezollabbau durch die gesteigerte Wirtschaftsleistung zu höheren Einkommen. Für eine vierköpfige Familie resultiert gemäss Schätzungen ein Plus von rund 170 Franken pro Jahr. 

Die Sorge um die vermeintlich geschwächte Position der Schweiz bei Freihandelsverhandlungen ist unbegründet. Erstens spielt der Zollabbau bei modernen FHA eine untergeordnete Rolle – im Gegensatz zum Abbau technischer Handelshemmnisse und dem Schutz geistigen Eigentums. Zweitens hat die Schweiz mit vielen Industriestaaten bereits FHA abgeschlossen. Drittens zeigen Länder wie Kanada, Norwegen oder Singapur, dass auch ohne Industriezölle substanzielle FHA abgeschlossen werden können. 

Der Abbau der Industriezölle bringt auch Chancen für Entwicklungsländer. Die Mehrheit dieser Länder profitiert heute von einer 50-prozentigen Zollreduktion (Generalized System of Preferences GSP). Im Vergleich zu FHA-Partnern sind sie damit im Nachteil. Mit dem Industriezollabbau würden für sie ebenfalls sämtliche Zollabgaben entfallen. 

Die Schweiz verfügt im WEF-Vergleich über das weltweit komplizierteste Zolltarifsystem. Darum unterstützt die Wirtschaft eine entsprechende Vereinfachung der Tarifstruktur. Sie bringt gerade für Firmen mit begrenztem Zollwissen Vorteile. Aber: Die Umstellung geht mit firmenseitigen Kosten einher. Um diese möglichst tief zu halten, muss die Änderung der Tarifstruktur deshalb gleichzeitig mit der Revision des harmonisierten Systems und der Anwendung des Projekts zur umfassenden Digitalisierung des Schweizer Zollwesens (DaziT) erfolgen. 

Für die Wirtschaft stellt die Aufhebung der Importzölle auf Industrieprodukte eine wichtige und komplementäre Massnahme dar, mit der die Politik die Rahmenbedingungen für Schweizer Firmen im globalen Wettbewerb wirkungsvoll und eigenständig verbessern kann. Notwendig sind weitere Handelserleichterungen. Dazu zählt auch die Digitalisierung und Vereinfachung sämtlicher Zollverfahren oder der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen. 

Ergänzend zu diesen Überlegungen verweisen wir auch auf das kürzlich publizierte dossierpolitik von economiesuisse zu dieser Thematik und ersuchen Sie um Zustimmung zur Abschaffung der Industriezölle (Geschäft 19.076). Wir danken Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie unseren Bemerkungen entgegenbringen, und stehen für Fragen gerne zur Verfügung.